Die Aktualität der Hildegard-Lehre zeigt sich in ihrer ganzheitlichen Betrachtung des Menschen. Besondere Inspiration sind die sechs goldenen Lebensregeln, die treffend alles vermitteln, was wir für ein rundum gesundes und erfülltes Leben brauchen. Sie bieten Orientierung in einem unübersichtlichen „zu viel von allem“, denn was wir wirklich brauchen ist weniger – weniger von allem.
Hildegard wird als 10. Kind des Grafen Hildebert und seiner Frau Mechthild von Bermersheim im Rheinland geboren.
Sie hat von Kindheit an die so genannte „Schau“ (Ahnungen von bevorstehenden Ereignissen), behält aber im Laufe der Zeit ihr Wissen zurück, da sie Unverständnis und Furcht bei ihren Mitmenschen bemerkt.
Hildegard von Bingen wird gemäß der damals herrschenden Tradition als „Zehent“ dem Kloster Disibodenberg als Dank überlassen.Sie kommt unter die Obhut von Jutta von Sponheim und erhält eine, für die damalige Zeit umfassende Ausbildung. Die einzigen Bildungsstätten zu jener Zeit sind die Klöster. Frauen haben überdies keine andere Möglichkeit sich Wissen anzueignen. Zudem dürfen nur Adelige ins Kloster gehen, die sich auf diese Art auch oft einen Platz als „Rentenversicherung“ erkaufen. Die Klöster sind auf die finanzielle Unterstützung der Adeligen angewiesen. So erst wird Studium und Forschung im damaligen Sinn möglich. Klöster sind aber auch Anlaufstelle für Reisende, für Schutzsuchende und wenn es um medizinische Belange geht.
Jutta von Sponheim – eine kluge, gebildete Frau und mütterliche Freundin von Hildegard - ist Äbtissin in der Frauenklause des Klosters Disibodenberg. Sie unterrichtet ihre Zöglinge in Schreiben und Lesen, im Singen der Psalmen und in praktischen Arbeiten.
Jutta von Sponheim stirbt und hinterlässt eine blühende Klause, die großen Zulauf hat. Hildegard, deren Wesen als demütig und bescheiden beschrieben wird, muss eine immense Ausstrahlung besessen haben, denn sie wird von ihren Mitschwestern einstimmig zur neuen Äbtissin gewählt.
Nachdem sie 5 Jahre als Äbtissin gewirkt hatte, erhält sie in einer Schau den Auftrag Gottes, die jenseitigen Visionen niederzuschreiben. In ihrer Demut will sie diesen Ruf nicht annehmen und erkrankt - wie so oft vor schweren Aufgaben bzw. Entscheidungen - wieder einmal schwer. Möglicherweise war es Angst, dem göttlichen Ruf nicht gerecht zu werden, sich gegen Gott zu versündigen oder aus Furcht vor den Reaktionen des Klerus. Jedenfalls kann man nachfühlen, dass eine derartige jenseitige Begabung, wie Hildegard sie hatte, mehr Belastung als Freude war.
Als sie sich entschließt, ihre Visionen niederzuschreiben, gesundet sie sofort und beginnt mit ihrem ersten großen Werk – „SCIVIAS“. An diesem großen Werk „SCIVIAS“ („Wisse die Wege“) und den aufwändigen Bildtafeln arbeitet sie 10 Jahre lang. Der Mönch Volmar vom Disibodenberg wird bis zu seinem Tod ihr Sekretär und treuer Freund. Zu dieser Zeit tritt Richardis von Stade ins Kloster ein und die beiden Frauen verbindet eine lebenslange, innige Beziehung. Die Familie von Stade wiederum ist mit ihrem weltlichen Einfluss sehr hilfreich für Hildegard. Ihre Begabungen und Visionen werden bekannt und bringen ihr nicht nur Freude und Freunde ein. Neid und Missgunst ( warum wird ausgerechnet eine Frau mit wenig Bildung von Gott auserwählt ? ) begleiten sie ebenso, wie Freude und Begeisterung ihrer Bewunderer.
Papst Eugen III erkennt während der Synode in Trier ihre Sehergabe als echt an und verleiht ihr dadurch einen besonderen Status.
Da ihre Klostergemeinschaft ständig wächst und sie wiederum eine Vision – diesmal für ein eigenes Kloster - hat, bittet sie den Abt vom Disibodenberg um Erlaubnis. Das Stammkloster ist nicht erfreut, da durch Hildegard ein reger Zulauf zum Kloster entstanden ist und zahlreiche Spenden eingehen. Nach einem anfänglichen „Nein“ erkrankt Hildegard einmal mehr und als der Abt schließlich einwilligt – gesundet sie spontan und zieht mit ihren Schwestern an den 30 km entfernten Rupertsberg.
Sie gründet dort das gleichnamige und eigenständige Kloster Rupertsberg. Nach anfänglichen Schwierigkeiten wächst die Gemeinschaft intensiv und das „Sprachrohr Gottes“, als das sie sich mittlerweile selbst bezeichnet, wird immer mehr zur Mahnerin und Lehrerin für die damaligen Persönlichkeiten und die Leute des einfachen Volkes, die in ihrem Kloster beraten, betreut und gesund gepflegt werden.
Hildegard schreibt ein weiteres bedeutendes Werk, das heute als „PHYSICA – Heilkraft der Natur“ und „CAUSAE ET CURAE – Ursachen und Behandlung von Krankheiten“ bekannt ist.
in diesen Jahren entsteht das „LIBER VITAE MERITORUM“ – das Buch der Lebensverdienste - bekannt als „Der Mensch in der Verantwortung“. Gleichzeitig unternimmt sie Predigtreisen ins Frankenland, nach Lothringen und ins Rheinland. Dies ist deshalb hervorzuheben, da es für Frauen damals völlig unüblich war, öffentlich Reden zu halten. Auf Marktplätzen appelliert sie an das Volk, seinen Glauben und die Liebe zu Gott nicht zu verlieren.
in diesen Jahren entsteht „LIBER DIVINORUM OPERUM“ – das Buch vom Wirken Gottes, auch bekannt unter „Welt und Mensch“. Während all der Zeit ist sie als Äbtissin, Mahnerin und Korrespondentin aktiv. Ihr reger Briefwechsel mit Adel und Klerus umfasst 300 übersetzte Briefe. In der spärlichen Freizeit komponiert sie 77 Lieder und ein Singspiel. Sie wagt sich an eigene Klangbilder heran und beschreitet für damalige Verhältnisse völlig neue Wege. Sie empfiehlt das Singen und Musizieren zum „Stimmen der Seele“, denn nur eine gut gestimmte Seele diene zur Freude Gottes.
Hildegard gründet auf der anderen Seite des Rheins bei Rüdesheim das KLOSTER EIBINGEN. Diese zweite Klostergründung wird notwendig, da der Rupertsberg einen immensen Zuwachs erfährt.
Ihr Leben ist gekennzeichnet von der Benediktinischen Regel „Ora et labora“. Gebet und Arbeit sind zentral und auch die Freude daran und an den Aufgaben, die ihr gestellt werden und die sie sich auch selbst aussucht. Die Freude an der Schöpfung und die Pflege der Seele sind ihr immer ein Anliegen. Hildegard hat sich immer für ihre Überzeugung und ihre Ziele eingesetzt und die Konsequenzen dafür getragen.
So nahm sie auch das Interdikt (Verbot gottesdienstlicher Handlungen) in Kauf, indem sie sich weigerte, einen exkommunizierten Adeligen exhumieren zu lassen. Nach langen Monaten der Sanktionen und auf Intervention Hildegards, wird das Interdikt wenige Monate vor ihrem Tod aufgehoben.
Ihren Todestag hatte Hildegard von Bingen vorausgesehen und Berichten zufolge soll ein großes helles Kreuz am Himmel zu sehen gewesen sein.
Brigitte Pregenzer
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